Rezension zu Hermann Hesses "Narziß und Goldmund"

Hesses Erzählung "Narziss und Goldmund" behandelt die Problematik der menschlichen Natur: die Ambivalenz von Geist und Sinnlichkeit. Diese beiden Begrifflichkeiten werden durch die zwei Hauptfiguren dargestellt und verkörpert. So führt Narziss ein Leben der Wissenschaft, des Glaubens und der Ordnung, Goldmund eins der Liebe, Wollust und Triebe.

 

Beide schaffen es sich zu verwirklichen: Narziss durch seine Ordnung, sein hohes Amt und seine Verantwortung, Goldmund letztlich durch die Kunst. Und auch obwohl Goldmund am Ende der Erzählung an seiner Lebensweise zugrunde geht, darf diese Tatsache nicht als Plädoyer gegen ein sinnliches Leben verstanden werden. Goldmund ist schließlich mit sich und der Welt im Reinen, hat das Bild von der Urmutter vor Augen und die Hoffnung seine eigene Mutter im Tod wiederzusehen.

 

Die Urmutter symbolisiert das Leben in all seinen Facetten: in der Freude, der Liebe, der Sinnlichkeit, genauso aber in Krankheit, Vergänglichkeit und Tod. Goldmund hat diese Urmutter zu lieben gelernt. Am Ende seines Lebens fragt er Narziss, wie er es denn machen wolle, wenn seine Zeit gekommen sei, wo er diese Urmutter doch nie kennenlernen durfte. Narziss ist bestürzt über diese Wahrheit und diese letzten Worte Goldmunds brennen »in seinem Herzen wie Feuer.« Beide Seiten haben also ihr Für und Wider.


Hesse schafft es durch die innere Verbindung der beiden, die gegenseitige Ergänzung, zu zeigen, wie gespalten der Mensch in sich selbst ist und dass keine der beiden Lebensweisen in ihrer kosequenten Durchführung ein Leben vollkommen machen kann - denn entweder fehlt ihm das eine oder das andere.