Der Heilige

Des vielen Betens müde, legte sich der Heilige schlafen. Schlafen ist keine Sünde, denn selbst Gott ruht bekanntlich am siebten Tage. – Der Schlafende aber, nicht wissend, dass er im Traume sündigte, erwachte schweißgebadet und konnte sich nur wage an das Erträumte erinnern. Schnell stand er auf, kniete vor einem kleinen Altar mit einer hölzernen Figur der Jungfrau Maria und sprach ein langes Gebet. Draußen war es noch Nacht und die anderen Mönche des Klosters schliefen. Langsam verließ er sein kleines Gemach und trat ins Freie. Die Büsche rauschten, ansonsten war es vollkommen still. Der weiße Halbmond beschien den steinigen Weg, der in die gotische Kirche führte. Knarrend öffnete sich das große Tor des Gotteshauses, als er es mit dem Schlüssel aufschloss. Die großen Fresken und der schwere Altar wurden vom hellen Mondlicht beschienen. Alles schien so ruhig, doch in ihm tobte es.

 

Das lange Gebet hatte den sündhaften Traum nicht vertreiben können und auch hier, am heiligsten Orte des ganzen Landes, wurde ihm nur noch beklemmender zumute. Die Heiligen an den Wänden, die ihm sonst Verwandte waren und in denen er oft Trost und Zuversicht gefunden hatte, blickten ihn nun mit verächtlichen Blicken an, manche sahen beschämt zu Boden.

 

Der Teufel ist mir im Traum erschienen und suchte mich zu verführen, dachte er sich, indem er sich bekreuzigend vor das große Christus-Bildnis stellte. Doch selbst dieser hatte einen leidenden Blick und der fromme Mönch fand auch hier keinen Trost.

 

Wie sollt’ der Mensch im Traum sich wehren,

gegen dunkle Mächte, Teufels Sünde?

Wie könnt’ er Gott im Traume ehren,

kennt er doch nicht des Traumes Gründe.

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